Neues aus der "Schatzkammer Pharaos" – Band 17 der
Romane und Novellen Robert Krafts ist erschienen
Rezension von Henning Herrmann-Trentepohl
Gleich der erste Text im hier anzuzeigenden neuen Band in der so verdienstvollen Kraft-Edition aus dem Hause Braatz & Mayrhofer ist etwas Besonderes. Er erschien nämlich nicht zu Lebzeiten Krafts, sondern überdauerte die Jahrzehnte nach Krafts frühem Tod in Form mehrerer von Sammlern angefertigten Abschriften und wird hier in einer neu überprüften Fassung vorgelegt.
Der zweite Text, der in Anlage und Ausführung deutlich konventioneller ausgefallen ist, erschien dagegen bereits 1899, also noch zu Lebzeiten Krafts.
Wie auch die Editoren bemerken, handelt es sich beim „Schwert des Damokles“ eher um eine Familiengeschichte mit leicht kriminalistischem Einschlag, während man mit einigem guten Willen die „Schatzkammer Pharaos“ als eine Art Bildungsroman lesen kann. Der zunächst noch ganz unbeholfene Gelehrte und Stubenhocker Dr. Tannert entwickelt sich unter dem Einfluss eines geheimnisvollen Geschwisterpaares zu einem Dichter eigener Art, der in seinen Werken nicht mehr nur wissenschaftlich, sondern künstlerisch zwischen Orient und Okzident zu vermitteln weiß. Auf die sehr witzigen satirischen Darstellungen des noch jungen, aber bereits in voller Blüte stehenden Massentourismus, die dieser besonders im Orient hervorgebracht hat und die Kraft ausgezeichnet zu schildern versteht, sei hier noch besonders hingewiesen. Sie tragen durchaus zur eigenartigen Modernität des Textes bei. Und so ganz nebenbei erfährt man auch fast alles Wissenswerte über die damals gerade erst entdeckte Ruinenstadt Petra, die sich dann erst ab 1920 zu einer bedeutsamen archäologischen Fundstätte entwickelt hat. Und wieder muss man sich fragen, was wohl aus Robert Kraft noch hätte weden können, hätte er genügend Zeit zur künstlerischen Reife zugemessen bekommen ...
Ein informatives Nachwort von Franziska Meifert gibt Einblicke in die Beziehungen zwischen den Texten und ihrer Entstehungszeit, insbesondere unter dem Aspekt des Orientalismus. So gibt der Orient auch hier wie eigentlich stets bei Kraft nicht nur den geographischen Hintergrund für spannungsgeladene Geschichten ab, sondern verfremdet auch das „Eigene“, etwa London als eine der Hauptstädte der westlichen Hemisphäre, die von geheimnisvollen, auch im Orient angesiedelten Mächten regiert wird und so das Schicksal der beteiligen Charaktere auf mannigfache Weise beeinflusst.
Wieder einmal ergibt ein schön gestalteter Bildteil Einblicke in die graphische Gestaltung der Originale. Über philologische Details der Edition informiert ein eigenes Vorwort.
Allen an dieser Edition Beteiligten ist es hoch anzurechnen, dass auch unter der in vieler Hinsicht belastenden Pandemiesituation wieder ein neuer, schön ausgestatteter Band dieser Edition erscheinen konnte. Dem Erscheinen des nächsten Bandes mit neuen Funden aus der Schatzkammer Robert Krafts darf man jedenfalls mit großem Interesse entgegenblicken!
Erschienen in Karl May in Leipzig, Nr 127, Dezember 2021, S. 26-27