"Der gläserne Mensch"


Chrisopher Priest

An kommerziellen Argumenten bin ich nicht interessiert- Die SF des Christopher Priest

" Sein scharfer, intellektueller Debattierstil, in dem Melancholie und Witz sich die Waage halten, wird in SF-Kreisen hoch geschätzt, wo man ihn als ein wertvolles, seltenes Beispiel für den hingebungsvollen Schriftsteller anerkennt " Diese Worte stammen von niemanden anderem als Brian Aldiss und gemeint damit ist Christopher Priest. Mit einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Publikationen ist es Christopher Priest gelungen, zumindest die Anerkennung der Kritiker zu gewinnen. Priest, geboren 1943 in Cheshire, England, veröffentlichte seine erste Kurzgeschichte
The run (dt. Aufruhr ) 1966, also in einer Zeit, als die britische New Wave auf ihrem Höhepunkt war. Obwohl er sich nicht als New Wave Autor sieht, sind doch einige Einflüsse auf sein Werk unverkennbar. Sein erster Roman Indoctrinaire (1972, dt. Zurück in die Zukunft) erhielt zwar gute Kritiken, zeigt aber die für ein Erstlingswerk typischen Schwächen. Doch bereits sein zweites Buch Fugue on a darkening island (1972, dt. Schwarze Explosion) ließ erahnen, daß hier ein Schriftsteller war, mit dem in Zukunft zu rechnen sein würde. Die Darstellung eines durch eine Einwanderungswelle verursachten Bürgerkriegs in England zählt trotz schockierender Szenen auch heute noch zu Priests meistgelesenen Büchern (eine Verfilmung von Jean- Gildas Gueran ist geplant ). Sein folgender Roman zeigte wieder eine völlig andere Seite des Autors. The inverted World (1974, dt.Die Stadt, auch Der steile Horizont) ist ein spannendes Stück Hard-SF und schildert das Leben in einer sich ständig fortbewegenden Stadt. Es deutet sich aber bereits das Thema an, welches Priest in seinen späteren Werken immer wieder beschäftigt: die Hinterfragung der Realität. Eine Hommage an H.G.Wells war das gut lesbare aber vergleichsweise harmlose The space machine: A scientific romance (1977, dt. Sir Williams Maschine). Das 1977 erschienene A dream of Wessex (dt. Ein Traum von Wessex) erinnert in der Grundthematik ein wenig an The inverted world, ist jedoch stilistisch ausgefeilter und realitätsnaher. Diese Tendenz erlebt einen ersten Höhepunkt im darauf folgenden The Affirmation (1984, dt. Der weiße Raum). Das Buch sollte die Wendemarke im Schaffen Christopher Priests werden. Einerseits war es ein herausragendes Stück Gegenwartsliteratur, andererseits verlor Priest einen Großteil seiner SF- Leser, obwohl er selbst den Roman als SF ansah. Es ist schon bitter zu sehen, wie einerseits immer über die mangelnde Anerkennung der Science Fiction durch die literarischen Kritik geklagt wird, andererseits aber selbst herausragende Werke auf konsequente Ablehnung innerhalb der Leserschaft treffen, sobald diese nicht den üblichen Normen des Genres entsprechen. The Affirmation war der erste Band einer Reihe von Büchern, die in dem sogenannten Traumarchipel, einer alternativen Realität spielen. Wirklichkeit und Traum sind hier nicht mehr scharf zu trennen. Mittels dieses Zyklusses hatte es Christopher Priest geschafft, ebenso wie z.B. J.G.Ballard seine eigenen Vorstellungen von Science Fiction zu verwirklichen: SF als visionärer Realismus.Gelungen ist auch der 1984 erschienene Roman The Glamour (dt. Der schöne Schein), in dem wiederum verschiedene Realitäten verschmelzen. Die Ereignisse werden von jeder der handelnden Personen anders wahrgenommen und das Ende des Buches ist schlichtweg genial. Aber auch die zum Zyklus gehörigen Novellen stehen nicht hinter den Romanen zurück. Hier sind vor allem Palely loitering (1979,dt.Grenzstreifzüge), The miraculous cairn (1980, dt.Der wundervolle Steinhügel) und The negation (1978,dt. Die Verneinung) erwähnenswert. Leider teilte Christopher Priest letzte Veröffentlichung The quiet woman (1990,dt. Die stille Frau) das Schicksal seiner vorangegangenen Bücher und wurde zumindest von den Lesern kaum beachtet. Im Moment lebt Christopher Priest in Hastings. Er ist in dritter Ehe verheiratet und Vater von Zwillingen. Seine Frau Laura Priest hat unter dem Pseudonym Leigh Kennedy bereits mehrere Bücher veröffentlicht (dt.St. Hiroshima und Das Tagebuch von Nicholas dem Amerikaner). Einen sehr guten Zugang zu Werk und Ansichten Christopher Priests stellt seine 1984 auf dem Seacon in Brighton gehaltene Rede dar, die auf deutsch als Verlorene Rede eines Sohnes im Heyne SF Magazin 11 (Heyne SF&F Nr. 4124) erschien. Es wurden bereits mehrere Bibliographien der deutschsprachigen Ausgaben veröffentlicht (außer in den SF-Lexikas von Heyne und Corian auch im Nachwort von Der schöne Schein und in Der Golem 3 Ausgabe 1991). Daher werden diese in der nachfolgenden Bibliographie nicht noch einmal gesondert erwähnt.

Bibliographie
Romane
  • INDOCTRINAIRE (1970)
    Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Japanisch, Spanisch
  • FUGUE FOR A DARKENING ISLAND (1972,auch DARKENING ISLAND )
    Übersetzungen: Deutsch, Französisch, Niederländisch, Japanisch, Spanisch, Finnisch
    Preise: John W. Campbell Jr Memorial Award 1971
  • INVERTED WORLD (1974, auch THE INVERTED WORLD )
    Übersetzungen: Deutsch, Tschechisch, Niederländisch, Finnisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch,
    Japanisch, Littauisch, Russisch, Spanisch, Schwedisch
    Preise: BSFA Award 1974, Hugo Nominierung 1975
  • THE SPACE MACHINE (1976)
    Übersetzungen: Deutsch, Bulgarisch, Niederländisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch, Japanisch,
    Littauisch, Russisch, Spanisch
    Preise: Ditmar Award 1977
    Hörspielfassung wurde 1979 von BBC Radio 4 ausgestrahlt
  • A DREAM OF WESSEX (1977, auch THE PERFECT LOVER)
    Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch, Japanisch,Spanisch,
    Schwedisch
    Die Filmrechte wurden bereits zweimal vergeben, ohne daß der Film produziert wurde.
    Im Moment bereitet Econstar Ltd eine Verfilmung des Stoffes vor.
  • THE AFFIRMATION (1981)
    Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Französisch, Spanisch, Schwedisch, Portugiesisch
    Preise: Ditmar Award 1982
  • THE GLAMOUR (1984 )
    Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Norwegisch, Polnisch,
    Russisch, Spanisch, Schwedisch
    Preise: Kurd Laßwitz Preis 1988
  • THE QUIET WOMAN (1990 )
    Übersetzungen: Deutsch, Französisch, Polnisch
    Eine Fassung als Fernsehspiel ist bei BBC TV im Gespräch.
  • THE PRESTIGE (in Vorbereitung )
Storysammlungen:
  • REAL-TIME WORLD (1974) Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Italienisch
    Inhalt: The head and the hand (1972), Fire storm (1970), Double consummation (1970), A woman
    naked (1974), Breeding ground (1970), Sentence in binary code (1971), The perehelion man (1970),
    The run (1966), Real- time world (1972), Transplant (1974)
  • AN INFINITE SUMMER (1979)
    Übersetzungen: Niederländisch, Japanisch, Portugiesisch, Spanisch
    Inhalt: An infinite summer (1976), Whores (1978), Palely loitering (1978),The negation (1978),The watched (1978)
  • LE LIVRE D' OR DE LA SCIENCE FICTION- CHRISTOPHER PRIEST (Frankreich 1979)
    Inhalt: Real-time world, The head and the hand, An infinite summer, The watched, Palely loitering
  • L' ARCHIPEL DU REVE (Frankreich 1981)
    Inhalt: Whores, The watched, The negation, The cremation (1978), The miraculous cairn (1980)
  • DER TRAUMARCHIPEL (BRD 1987)
    Inhalt:The miracolous cairn, The cremation, The negation

Vereinzelt erschienene Erzählungen:

  • The ersatz wine (1966),
  • Conjugation (1966),
  • Nothing like the sun (1969),
  • The Invisible Men (1973),
  • Men of good value (1974),
  • Static Gravity (1977),
  • The Agent (mit David Redd 1978),
  • The Ament (1985)

Preise:

Palely Loitering: BSFA Award 1979, Hugo Nominierung 1980,
The Watched: Hugo Nominierung 1979 The watched wurde als Fernsehspiel 1984 von Thames Television ausgestrahlt.
Ein weiteres Fernsehspiel von Christopher Priest war Return to the Labyrinth (ausgestrahlt 1981), eine Fernsehserie The Cull ist in Vorbereitung. Sachliteratur :
- YOUR BOOK OF FILM-MAKING (1974)
- THE BOOK ON THE EDGE OF FOREVER (USA,1994)

Preise: Hugo Nominierung 1995