ROBERT SILVERBERG: "DER MANN IM LABYRINTH"

Robert Silverberg "Der Mann im Labyrinth"

gelesen von Renald Mienert


Er wollte ganz hoch hinaus, und er fiel ganz tief. Dick Muller war auserkoren, als erster Mensch mit einer fremden Intelligenz Kontakt aufzunehmen. Doch als er wiederkam, konnte kein Mensch mehr seine Nähe ertragen. Die Außerirdischen hatten seine Seele manipuliert. All das Böse, das in unserem Unterbewußtsein schlummert, und nur dann hervorbricht, wenn wir gelegentlich Science Fiction Romane rezensieren, all das, wird nun für die Menschen seiner Umgebung deutlich, und schmerzlich, spürbar - Freunde, Kollegen, die Geliebte wenden sich von ihm ab. Muller zieht die Konsequenzen. Er verkriecht sich auf einen fremden Planeten, in ein von den Angehörigen einer längst verloschenen Intelligenz, erbautes Labyrinth. Doch die selbst gewählte Isolation ist nicht von Dauer, seine Vergangenheit holt ihn ein. Von einer anderen extragalaktischen, intelligenten Lebensform droht der Erde die Vernichtung, einige ihrer Kolonien wurden bereits verloren. Die fremde Lebensform ist einfach nicht in der Lage, die Menscheit als vernunftbegabte Lebensform zu akzeptieren, zu groß sind die Unerschiede. Also erinnert man sich an Muller. Wer wäre besser dazu geeignet, die Aufmerksamkeit der Fremden zu erregen, wenn nicht er, dessen Seele gewissermaßen bloßliegt. Eine Expedition wird ausgerüstet, Muller um jeden Preis für die neue Mission zu gewinnen. Dieser Preis schließt alles ein - Lügen, Gewalt und Menschenleben. Bereits die Erkundung des Labyrinths erweist sich als lebensgefährlich. Trotz des Einsatzes einer Vielzahl von Robotern bleiben Menschenopfer nicht aus, denn das Labyrinth strotzt nur so vor tödlichen Fallen. Doch als noch weitaus schwieriger erweist es sich, die Mauern zu brechen, die Muller um sich selbst errichtet hat. Der Sohn eines ehemaligen Freundes soll den Lockvogel spielen, soll das Vertrauen des menschenscheu gewordenen Muller gewinnen.
Einen besonderen Reiz erhält die Geschichte noch dadurch, daß der selbe Mann, der Muller vor Jahren zu den Außerirdischen schickte, auch die neue Expedition leitet. Das Buch enstand in Silverbergs zweiter SF-Phase. Begann er seine schriftstellerische Laufbahn als Verfasser von Dutzendware, so bewies er doch Jahre später, nachdem er sich einge Zeit als Autor populärwissenschaftlicher Werke einen Namen gemacht hatte, daß er sich zu einem durchaus ernst zu nehmenden Schriftsteller entwickelt hatte. Zweifellos gehört Der Mann im Labyrinth zu den interessanteren Arbeiten des Genres. Action und Gewalt treten hier eindeutig hinter moralischen Aspekten zurück. Mullers Tragödie wird glaubwürdig geschildert, seine Isolation scheint als logische Konsequenzen eines Menschen, dem auf der Höhe des Ruhms die eigene Unzulänglichkeit klar gemacht wird. Doch auch seine Gegenspieler werden geschickt gezeichnet. Ned Rawlins, der Kontakt mit Muller aufnimmt, wird ständig von Zweifeln an der moralischen Berechtigung seines Tuns geplagt. Wie lange darf der Zweck die Mittel heiligen, auch wenn der Zweck die Rettung der Menschheit ist? Diese Zweifel kennt Boardman, sein Vorgesetzer nicht mehr, doch auch diese Figur wird nicht simpel als Bösewicht dargestellt. (Eine simple Gut-Böse-Differenzierung ist übrigens im gesamten Roman nicht zu finden.) Boardman ist einfach ein Mann, der seinen Job tut, der weiß, daß manchmal häßliche Dinge getan werden müssen, und irgendeiner muß sie ja tun. Doch die Konzentration Silverbergs auf moralisch-psychologische Aspekte birgt auch ihre Gefahren.
Das größte Manko des Romans besteht sicherlich in der Vorrausahnbarkeit seines Ausgangs. Dem Leser ist von vornherein klar, wie sich Muller entscheiden wird, daß es zu allem Überfluß auch noch zu einem Happyend kommt (nach der Begegnung mit den extragalaktischen Lebewesen ist Muller geheilt), ist dann wirklich etwas zu viel des Guten. So will sich keine richtige Spannung einstellen, zumal der Konflikt mit den Außerirdischen auf den letzten Seiten eher nebenbei erledigt wird.
Müßte ich den Roman benoten, er würde irgendwo zwischen gut und befriedigend liegen. Aber ich muß es ja nicht.

© by R. Mienert, Halle/Saale, den 15. November 1990

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