An kommerziellen Argumenten bin ich nicht interessiert
- Die SF des Christopher Priest
" Sein scharfer, intellektueller Debattierstil, in dem Melancholie
und Witz sich die Waage halten, wird in SF-Kreisen hoch geschätzt,
wo man ihn als ein wertvolles, seltenes Beispiel für den hingebungsvollen
Schriftsteller anerkennt "
Diese Worte stammen von niemanden anderem als Brian Aldiss und gemeint damit
ist Christopher Priest. Mit einer verhältnismäßig geringen
Anzahl von Publikationen ist es Christopher Priest gelungen, zumindest die
Anerkennung der Kritiker zu gewinnen.
Priest, geboren 1943 in Cheshire, England, veröffentlichte seine erste
Kurzgeschichte The run 1966, also in einer Zeit, als die britische
New Wave auf ihrem Höhepunkt war. Obwohl er sich nicht als New Wave
Autor sieht, sind doch einige Einflüsse auf sein Werk unverkennbar.
Sein erster Roman Indoctrinaire erhielt zwar gute Kritiken, zeigt
aber die für ein Erstlingswerk typischen Schwächen. Doch bereits
sein zweites Buch Fugue on a darkening island ließ erahnen,
daß hier ein Schriftsteller war, mit dem in Zukunft zu rechnen sein
würde. Die Darstellung eines durch eine Einwanderungswelle verursachten
Bürgerkriegs in England zählt trotz schockierender Szenen auch
heute noch zu Priests meistgelesenen Büchern (eine Verfilmung von Jean-
Gildas Gueran ist geplant ). Sein folgender Roman zeigte wieder eine völlig
andere Seite des Autors. The inverted World ist ein spannendes Stück
Hard-SF und schildert das Leben in einer sich ständig fortbewegenden
Stadt. Es deutet sich aber bereits das Thema an, welches Priest in seinen
späteren Werken immer wieder beschäftigt: die Hinterfragung der
Realität. Eine Hommage an H.G.Wells war das gut lesbare aber vergleichsweise
harmlose The space machine: A scientific romance. Das 1977 erschienene
A dream of Wessex erinnert in der Grundthematik ein wenig an The
inverted world, ist jedoch stilistisch ausgefeilter und realitätsnaher.
Diese Tendenz erlebt einen ersten Höhepunkt im darauf folgenden The
Affirmation. Das Buch sollte die Wendemarke im Schaffen Christopher
Priests werden. Einerseits war es ein herausragendes Stück Gegenwartsliteratur,
andererseits verlor Priest einen Großteil seiner SF- Leser, obwohl
er selbst den Roman als SF ansah. Es ist schon bitter zu sehen, wie einerseits
immer über die mangelnde Anerkennung der Science Fiction durch die
literarischen Kritik geklagt wird, andererseits aber selbst herausragende
Werke auf konsequente Ablehnung innerhalb der Leserschaft treffen, sobald
diese nicht den üblichen Normen des Genres entsprechen. The Affirmation
war der erste Band einer Reihe von Büchern, die in dem sogenannten
Traumarchipel, einer alternativen Realität spielen. Wirklichkeit und
Traum sind hier nicht mehr scharf zu trennen. Mittels dieses Zyklusses hatte
es Christopher Priest geschafft, ebenso wie z.B. J.G.Ballard seine eigenen
Vorstellungen von Science Fiction zu verwirklichen: SF als visionärer
Realismus.Gelungen ist auch der 1984 erschienene Roman The Glamour,
in dem wiederum verschiedene Realitäten verschmelzen. Die Ereignisse
werden von jeder der handelnden Personen anders wahrgenommen und das Ende
des Buches ist schlichtweg genial. Aber auch die zum Zyklus gehörigen
Novellen stehen nicht hinter den Romanen zurück. Hier sind vor allem
Palely loitering, The miraculous cairn und The negation
erwähnenswert. Leider teilte Christopher Priest letzte Veröffentlichung
The quiet woman das Schicksal seiner vorangegangenen Bücher
und wurde zumindest von den Lesern kaum beachtet.
Im Moment lebt Christopher Priest in Hastings. Er ist in dritter Ehe verheiratet
und Vater von Zwillingen. Seine Frau Laura Priest hat unter dem Pseudonym
Leigh Kennedy bereits mehrere Bücher veröffentlicht (dt.St. Hiroshima
und Das Tagebuch von Nicholas dem Amerikaner).
Einen sehr guten Zugang zu Werk und Ansichten Christopher Priests stellt
seine 1984 auf dem Seacon in Brighton gehaltene Rede dar, die auf deutsch
alsVerlorene Rede eines Sohnes im Heyne SF Magazin 11 (Heyne
SF&F Nr. 4124) erschien.
Es wurden bereits mehrere Bibliographien der deutschsprachigen Ausgaben
veröffentlicht (außer in den SF-Lexikas von Heyne und Corian
auch im Nachwort von Der schöne Scheinund in
Der Golem 3 , Ausgabe 1991, sowie im SF-Jahr 1996 ).
1970 INDOCTRINAIRE (dt. 1971, Zurück in die Zukunft,
München: Goldmann Verlag, Nr. 0133 )
Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Japanisch, Spanisch
1972 FUGUE FOR A DARKENING ISLAND (auch DARKENING ISLAND; dt.
1972, Schwarze Explosion, München: Goldmann Verlag, Nr. 0154)
Übersetzungen: Deutsch, Finnisch, Französisch, Japanisch, Niederländisch,
Spanisch
Preise: John W. Campbell Jr Memorial Award 1971
1974 INVERTED WORLD (auch THE INVERTED WORLD; dt. 1976,
Die Stadt, München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 3465;Dass.
u.d.T. Der steile Horizont )
Übersetzungen: Deutsch, Finnisch, Französisch, Hebräisch,
Italienisch, Japanisch, Littauisch, Niederländisch, Russisch, Schwedisch,
Spanisch, Tschechisch
Preise: BSFA Award 1974, Hugo Nominierung 1975
1976 THE SPACE MACHINE (dt. 1977, Sir Williams Maschine,
München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 3540)
Übersetzungen: Bulgarisch, Deutsch, Französisch, Hebräisch,
Italienisch, Japanisch, Littauisch, Niederländisch, Russisch, Spanisch
Preise: Ditmar Award 1977
Hörspielfassung wurde 1979 von BBC Radio 4 ausgestrahlt
1977 A DREAM OF WESSEX (auch THE PERFECT LOVER; dt. 1979,
Ein Traum von Wessex, München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 3631)
Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Französisch, Hebräisch,
Italienisch, Japanisch, Spanisch, Schwedisch
Die Filmrechte wurden bereits zweimal vergeben, ohne daß der Film
produziert wurde.
Im Moment bereitet Econstar Ltd eine Verfilmung des Stoffes vor.
1981 THE AFFIRMATION (dt. 1984, Der weiße Raum,
München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 4073)
Übersetzungen: Deutsch, Französisch, Niederländisch, Portugiesisch,
Spanisch, Schwedisch
Preise: Ditmar Award 1982
1984 THE GLAMOUR (dt. 1987, Der schöne Schein,
München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 4413)
Übersetzungen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Niederländisch,
Norwegisch, Polnisch, Russisch, Schwedisch, Spanisch
Preise: Kurd Laßwitz Preis 1988
1990 THE QUIET WOMAN (dt. 1991, Die stille Frau , München:Wilhelm
Heyne Verlag, Nr.4833)
Übersetzungen: Deutsch, Französisch, Polnisch
Eine Fassung als Fernsehspiel ist bei BBC TV im Gespräch.
1974 REAL-TIME WORLD (dt. bereits 1973, als Transplantationen,
Originalausgabe)
Übersetzungen: Deutsch, Niederländisch, Italienisch
Inhalt: The head and the hand (1972,dt.), Fire storm (1970,dt.Feuersturm),
Double consummation (1970,dt.Gemischtes Doppel), A woman naked (1974,dt.),
Breeding ground (1970,dt.Brutstätte), Sentence in binary code (1971,dt.Lebenslänglich),
The perehelion man (1970,Sturz in die Sonne), The run (1966,dt.Aufruhr),
Real- time world (1972,dt.Soziologisches Experiment), Transplant (1973,dt.
Transplantationen)
1979 AN INFINITE SUMMER
Übersetzungen: Niederländisch, Japanisch, Portugiesisch, Spanisch
Inhalt: An infinite summer (1976, dt. 1979, Ein endloser Sommer in
"Spinnenmusik", München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 3446,dass.1985
in "Zielzeit",HSFB 29,dass. 1994 in "Die Gehäuse der
Zeit", Heyne Nr. 5075), Whores (1978), Palely loitering (1978, dt.
1981, Grenzstreifzüge in "Grenzstreifzüge",
München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 3792); The negation (1978); The
watched (1978, dt. 1985, Der Beobachter in "Venice 2",
München: Wilhelm Heyne Verlag, Nr. 4199)
1979 LE LIVRE D' OR DE LA SCIENCE FICTION- CHRISTOPHER PRIEST (Frankreich)
Inhalt: Real-time world, The head and the hand, An infinite summer, The
watched, Palely loitering
1981 L' ARCHIPEL DU REVE (Frankreich)
Inhalt: Whores, The watched, The negation, The cremation (1978), The miraculous
cairn (1980)
1987 DER TRAUMARCHIPEL (Deutschland, Darmstadt und Neuwied:
Sammlung Luchterhand, Nr. 706)
Inhalt:The miracolous cairn (dt. Der wundervolle Steinhügel ),
The cremation (dt. Die Feuerbestattung ), The negation (dt.
Die Verneinung )
1978 The Agent (mit David Redd, dt. 1982 Der Agent
in "SF international III", München: Goldmann Verlag, Nr.
23412, dass. in "Zielzeit", München : Heyne, HSFB 29, dass.
in "Die Gehäuse der Zeit", München : Heyne, Nr. 5075