Wieder ein Abend in Leipzig

Peter Lorenz am 20.3.96 zu Gast bei den Leipziger Freunden der SF

von Thomas Hofmann



Der gediegene, getäfelte, nicht allzu große Raum im Domizil der Leipziger SF-Freunde war gut
gefüllt, auch mir unbekannte Gäste (Interessierte außerhalb des Clubs?) waren dabei. Von uns
"Hallensern" trauten sich diesmal gar drei nach Leipzig, neben Wilko und mir war auch Andreas
zugegen, der allerdings so etwas wie ein Heimspiel hatte; schließlich war Herr Lorenz mal sein Direx
an der Schule; doch davon kann er ja mal bei Belieben selbst berichten.
Die Veranstaltung lief so ab wie immer; zugegebener Maßen klingt dies nicht sehr enthusiastisch
meinerseits, doch macht sich trotz der sicher immer enormen Anstrengungen von Manfred ein klein
wenig Langeweile breit. Es wurden also wieder Worte zur Vita des Autors verloren, die allerdings
dessen Redeeifer herausforderten, denn Manfred "unterschlug" gleich hier ein paar Jahre, die auch in
den ohnehin spärlichen offiziösen Biographien in den SF-Sekundär-Annalen der DDR tunlichst
ausgelassen wurden. Woher sollte er's auch wissen? So erfuhren wir zumindest wirklich Neues.
Herr Lorenz nutzte also in Jahren '66 - '68 staatlich bestelltes Quartier, war wegen
"Staatsverleumdung" inhaftiert. Es hing wie so oft mit der Biermann-Affäre zusammen; er hatte als
relativ kleines Licht das Pech, daß ein DDR-Verantwortungsträger diesen Umstand als für seine
eigene Karriere lohnendes Opfer ansah - so zumindest die Sichtweise des Betroffenen.
Wie auch immer, nunmehr war er - wenn auch kleiner - Dissident und hatte damit nach der "Wende"
gute Karten, kam wieder in den Schuldienst, der ihm aber aus gesundheitlichen Gründen zu viel
wurde.
Auch Peter Lorenz äußerte sich zur immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt Frage nach dem
Schicksal der Ex-DDR-SF-Autoren und wie sie und er nun in der "Neuen" Zeit auskommen. Aber
auch hier hat er ja gerade Neues zu berichten. Für ihn ist klar, gedruckt wird nur noch, "wer keinen
Schaden mehr anstellt" und meint damit z.B. Fuhrmann. Nun weiß ich nicht, ob solcherlei
Äußerungen sehr fair sind (auch im Zusammenhang mit dem Wechsel der Illustrationen bei seinem
Roman HOMUNKULI kam ihm solch ein "Ausrutscher "[?] unter, indem er die Bilder eines Werner
Ruhner nicht gerade lobend erwähnte), aber vielleicht trifft dies ja den Kern?
Da also die großen Verlage die deutschsprachige SF, also auch die ihrer östlichen Vertreter meiden,
greift man zur Selbsthilfe; er stellte lang und breit sein MailBoxProjekt vor, berichtete stolz vom doch
vorhandenen Erfolg derselben, daß es einfach auch für die Autoren psychisch gut ist, wenn sie mal -
wenn auch kleinen - Scheck am Monatsende zugestellt bekommen, dafür, daß Interessierte Texte aus
der Box 'runterladen: deutsche SF wird also gelesen!
Daneben laufen auch andere Projekte an: Karlheinz Steinmüller, so konnte man hier quasi nebenbei
erfahren, arbeiten an einem ähnlichen Projekt, doch will er Texte übers INTERNET anbieten.
Frühauf arbeitet an einem neuen Buch für einen Kleinverlag in Arnstadt, sogar die DDR-SF-Legende
Horst Müller ist wieder aktiv - das kann ja interessant werden, wenn im April er selbst sich den
Fragen in Leipzig stellt(e).
Alexander Kröger hat ja auch ein Buch im Kleinverlag seiner Frau veröffentlicht, Peter Lorenz
deutete an, daß da auch andere Autoren in Zukunft ein Forum finden könnten.
Und sonst? Nun ja, SF ist für Lorenz nur eine Ausdrucksform, der er nicht besondere Bedeutung
beimißt; sie nutzte ihm in der DDR wie vormals den Fabelautoren als Mittel, verdeckt etwas zum
Ausdruck zu bringen, was mit Klartext die Zensur nicht passiert hätte. Ja, aber warum dann heute
noch SF, wo man doch alles sagen darf? Was soll's...
Dann las er noch drei Texte, die sein Spektrum repräsentierten: zum einen einen SF-Text, einen
Ausschnitt aus einem Krimi und eine erotische Story, wobei mir auffiel, daß der sog. Krimi mehr
erotisches Potential besaß als die so bezeichnete Geschichte, diese dafür eher ein Krimi war, wenn
auch ein sehr schnell durchschaubarer.